Dieser Artikel soll Ihnen ein Gefühl dafür geben, wann sich im Erbfall oder im Falle einer Schenkung ein Verkehrswertgutachten für eine Immobilie lohnt.
Das Finanzamt bewertet geschenkte oder geerbte Immobilien nach einem pauschalierten Verfahren nach dem Bewertungsgesetz (BewG), ergänzt um den koordinierten Ländererlass vom 05.05.2009. Darin geht es um die „Umsetzung des Gesetzes zur Reform des Erbschaftssteuer – und Bewertungsrechts; Bewertung des Grundvermögens nach dem 6. Abschnitt des 2. Teils des Bewertungsgesetzes“, wie das Werk etwas
sperrig bezeichnet wird.
Ist man mit dieser Bewertung der Finanzbehörden nicht einverstanden, kommt der § 198 BewG ins Spiel:
„Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert der wirtschaftlichen Einheit am Bewertungsstichtag niedriger ist als der nach §§ 179, 182 bis 196 ermittelte Wert, so ist dieser Wert anzusetzen. Für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts gelten grundsätzlich die auf Grund des § 199 Abs. 1 des Baugesetzbuches erlassenen Vorschriften.“
Sprich: Der Steuerpflichtige muss ein nach der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) erstelltes Verkehrswertgutachten vorlegen.
Ein Verkehrswertgutachten lohnt freilich nur dann, wenn trotz des Honorars Erbschaftsoder Schenkungssteuer eingespart werden kann.
Ein erster Blick gilt da der Steuerklasse des Erwerbers und den damit verbundenen Freibeträgen (§§ 14-19 ErbStG): Der Ehepartner hat beispielsweise einen Freibetrag von 500.000 €, Kinder und Stiefkinder haben einen Freibetrag von 400.000 €.
Im Normalfall kann abgeschätzt werden, ob die betreffende Immobilie und die anderen Nachlassgegenstände und – werte in diesem Rahmen liegen. Personen der Steuerklassen II und III haben jeweils nur einen Freibetrag von 20.000 €. Zu Personen der Steuerklasse III gehören zum Beispiel der/die Verlobte und die Mitglieder einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft2. Eltern kommen in Steuerklasse II, wenn sie von ihren Kindern etwas geschenkt bekommen. (siehe Zusammenstellung Seite 4)
Da lohnt es sich bei Steuersätzen zwischen 15% und 50% (je nach Steuerklasse und Höhe des steuerpflichtigen Erwerbs) schon, genauer hinzuschauen. Die kommenden Ausführungen sind relevant, wenn sich andeutet, dass die Freibeträge wahrscheinlich überschritten werden. Im Folgenden wird nun anhand dreier Praxisbeispiele der Unterschied zwischen einem Verkehrswertgutachten und einer steuerlichen Wertermittlung dargestellt:
- Bewertung des Grundstücks
- Bewertung eines Einfamilienhauses nach dem Sachwertverfahren
- Bewertung eines Mehrfamilienhauses nach dem Ertragswertverfahren
1. Bewertung des Grundstücks
Die steuerliche Bewertung richtet sich gem. § 179 des BewG: Bodenrichtwert multipliziert mit der Fläche des Grundstücks. Der Ländererlass sieht Wertkorrekturen vor, z. B. in Bezug auf die bauliche Ausnutzung des Grundstücks (GFZ), der Grundstückstiefe und bei ausgewiesenen Frei- und Verkehrsflächen. Einige weitere wertbeeinflussende Merkmale werden nicht berücksichtigt.
Folgende Skizze soll den entscheidenden Punkt verdeutlichen:
Die Skizze stellt eine stilisierte Bodenrichtwertkarte dar. Im Rahmen einer steuerlichen Bewertung würde genau der Wert aus der betreffenden Bodenrichtwertzone zur Anwendung kommen, egal wo das Grundstück dort liegt.
Bei einem Verkehrswertgutachten macht man aber durchaus einen Unterschied zwischen dem an einer Hauptstraße und neben einer Schule (Lärm!) gelegenen Grundstück (1) und dem in ruhiger Ortsrandlage gelegenen Grundstück (2), auch wenn die beiden Objekte in der gleichen Richtwertzone liegen. Der Erbe/ Erwerber des Objekts (1) müsste da ggf. nochmals den steuerlichen Wertansatz des Bodens überprüfen lassen.
2. Bewertung eines Einfamilienhauses nach dem Sachwertverfahren
Zunächst sehen Sie hier eine Bewertung nach Bewertungsgesetz und eine Verkehrswertermittlung:
Grundbesitzwert (BewG) Sachwert (§ 194 BauGB) Grundstück Fläche 321 qm 321 qm Bodenrichtwert 1) absolut 440,00 € 440,00 € Bodenrichtwert 2) modifiziert wegen baulicher Ausnutzung 352,00 € 352,00 € Bodenwert 112.992,00 € 112.992,00 € Gebäude Bruttogrundfläche 314,3 qm Wertansatz 788,89 € 760,00 € -> gemäß RHK 2007 NHK 2000 + Baunebenkosten -,- x 1,14 x Faktor Bundesland x 1,02 x Faktor Großraum Stuttgart zzgl. Indexierung x 1,0455 x 1,1513 Sachwert pro qm BGF 824,78 € 1.068,31 € Sachwert des Gebäudes 259.229,77 € 341.427,23 € Alterswertminderung 42,5% absolut Gebäudesachwert zzgl. Grundstück 112.992,00 € 112.992,00 € x Wertzahl + Rundung Sachwert 262.049,12 € 310.000,00 € ./. Marktanpassung und kleinere Bauschäden Verkehrswert
Quelle: eigene Darstellung
In diesem Fall würde der Steuerpflichtige mit der Bewertung der Finanzbehörden besser fahren. Im Rahmen einer steuerlichen Bewertung entfällt eine regionale Einstufung der Normalherstellungskosten (NHK). Für den Erben einer Immobilie in München mag das sehr vorteilhaft sein, für den Erben eines Hauses in Kleinhinterwaldhausen nicht so.
Besonders zu veranschlagende Bauteile werden ebenfalls nicht berücksichtigt. Auch werden eigene Herstellungskostenansätze zur Anwendung gebracht, die derzeit gültigen Regelherstellkosten 2007 (RHK 2007), die auch nicht mehr um Baunebenkosten erhöht werden. Damit liegen diese Ansätze meist unter dem Verkehrswert-Ansatz nach den NHK 2000. In diesem Beispiel wäre der Steuerpflichtige also besser gestellt.
Aber das ist nicht zwangsläufig so. Beispielsweise könnte die Vorschrift gem. Abschnitt 31 (5) des Ländererlasses für eine unzutreffende Bewertung verantwortlich sein:
„Der nach Abzug der Alterswertminderung verbleibende Gebäudewert ist regelmäßig mit mindestens 40% des Gebäuderegelherstellungswertes anzusetzen. Diese Restwertregelung berücksichtigt, dass auch ein älteres Gebäude, das laufend instand gehalten wird, einen Wert hat. Sie berücksichtigt einen durchschnittlichen Erhaltungszustand und macht in vielen Fällen die Prüfung entbehrlich, ob die restliche Lebensdauer infolge baulicher Maßnahmen verlängert wurde. Wenn eine geringere Nutzungsdauer objektiv feststeht, wie z. B. bei vertraglicher Abbruchverpflichtung für das Gebäude, kann dieser Mindestansatz jedoch unterschritten werden.”
Bei älteren Gebäuden ist zu prüfen, ob die Anwendung dieser Vorschrift sachgerecht ist. Der Ansatz einer geringeren Nutzungsdauer muss im Gutachten plausibel dargelegt werden.
Beispiel:
Einfamilienhaus Baujahr 1956, Dach ausgebaut, unterkellert, mittlerer Ausstattungsstandard, keine Renovierungen:
RHK* 2007 NHK 2010 Ansatz BGF** 680,00 € 540,00 € Baunebenkosten 86,40 € Index x 1,05 714,00 € x 1,15 Alterswertminderung 428,40 € 495,25 € BGF des Objekts 300 qm 300 qm Sachwert des Objekts 67.533,00 € * RHK = Regelherstellkosten ** BGF = Bruttogrundfläche
720,36 €
Quelle: eigene Darstellung
In diesem Fall käme man mit einer Bewertung nach der ImmoWertV (Verkehrswert) auf einen niedrigeren Wert pro m² BGF was die bauliche Anlage betrifft.
Auszug: Lebensdauer von Bauteilen und Materialien
Quelle: Bund deutscher Baumeister (entnommen aus Kleiber: Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 6. Auflage S. 897))
Konstruktion
einfache Ausführung: 80 J.
städtische Ausführung: 80 J.
Dachhaut
Ziegel, Schiefer: 50 J.
Asbestzement: 40 J.
Zinkblech: 30 J.
Dachstuhl
Stahl und Holz: 80 J.
Putz
Außenwandputz: 30 J.
Treppen
Stein/Hartholz: 50 J.
3. Bewertung eines Mehrfamilienhauses nach dem Ertragswertverfahren
Auch bei der Anwendung des Ertragswertverfahrens ergeben sich durch die Regelungen für die steuerliche Bewertung durchaus Vorteile. Aber es gilt auch hier: Im Einzelfall sollte doch geprüft werden, ob die Vorgaben des BewG den Gegebenheiten des Objekts in ausreichendem Maße gerecht werden.
Zwar sind die steuerlichen Bewertungsvorschriften recht nah an der Vorgehensweise im Rahmen eines Verkehrswertgutachtens, doch auch hier kann es sich lohnen, genauer hinzuschauen. Hierzu ein Beispiel zur Erläuterung:
Dem Liegenschaftszinssatz kommt im Verlauf der Ertragswertberechnung eine entscheidende Bedeutung zu. § 188 BewG schreibt vor, dass die örtlichen Liegenschaftszinssätze der Gutachterausschüsse anzuwenden sind. Liegen keine Liegenschaftszinssätze vor, was derzeit in kleineren Städten und ländlichen Gegenden eher die Regel als die Ausnahme ist, gelten die Liegenschaftszinssätze, die in diesem § 188 BewG genannt werden. Für Mietwohngrundstücke werden hier zum Beispiel 5% angesetzt. Im Normalfall ist das in Ordnung. Im Grundstücksmarktbericht für Stuttgart in 2011 wurden für Mietwohngrundstücke 4,5% zum 31.12.2010 festgesetzt (hier gilt: je geringer der Liegenschaftszinssatz, desto wertvoller wird das Gebäude).
Bei negativen Gebäudeeigenschaften kann sich der Liegenschaftszinssatz aber deutlich erhöhen. Denn der Liegenschaftszinssatz bildet das Risiko, das mit einer Immobilie verbunden ist, ab.
Wenn man bei einer Immobilie mehrere der folgenden Kriterien bejahen müsste, würde der Liegenschaftszins nach sachverständiger Würdigung deutlich nach oben angepasst werden:
- keine ausreichende Nachfrage nach der Immobilie
- schlechte Bevölkerungsentwicklung und -struktur
- kein Wirtschaftswachstum kurze Laufzeit von Mietverträgen
- lange Leerstandsdauern
- hoher Mieterwechsel
- niedrige Mieten
- schlechte Lage
- schlechte Verwertbarkeit
- hohe Bewirtschaftungskosten
Im Folgenden wird dargestellt, wie sich unterschiedliche Liegenschaftszinssätze (LZ) auf den Wert einer Immobilie auswirken können:
Ein Beispiel:
6- Familienhaus, 50 Jahre alt, Restnutzungsdauer demnach 30 Jahre, Grundstück 400 m² zu 600 €, also 240.000 €, Rohertrag 36.000 € p.a., pauschalierte Bewirtschaftungskosten (BWK) in Höhe von 27% des Rohertrages. Der Verviefältiger (Vvf.) errechnet sich nach einer Formel3 aufgrund des Zinssatzes und der Restnutzungsdauer.
Ertragswert je nach Ansatz des Liegenschaftszinssatzes (LZ):
3) Vervielfältigerformel bei RND 30 Jahre und Zinssatz 5%: Formel: (1,0530 – 1) / 1,0530 x (1,05-1) = 15,37
Diese Aufstellung zeigt: Die Wahl des Liegenschaftszinssatzes beeinflusst den Ertragswert des Objekts sehr stark, daher muss er sorgfältig ermittelt und angesetzt werden.
Fazit
Wenn Sie denken, dass eines der beschriebenen Kriterien auf Ihr geerbtes oder geschenktes Objekt zutrifft, nutzen Sie die Möglichkeiten des Bewertungsgesetzes und lassen eine unabhängige Bewertung durchführen.
Hinweis
Die in diesem Artikel beschriebenen Sachverhalte können natürlich unmöglich alle eventuellen Möglichkeiten rund um die Immobilienbewertung darstellen. Dieser Artikel ersetzt keinesfalls eine Beratung durch entsprechende Spezialisten.
Oliver Holz
Freibeträge nach §16 ErbStG
Steuerfrei bleibt in Fällen der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 2 Absatz 1 Nr. 1 und 3 ErbStG) der Erwerb…
500.000 €
Ehegatte und Lebenspartner (einer eingetragenen Lebenspartnerschaft)
400.000 €
Kinder im Sinne der Steuerklasse I, Nr. 2 und der Kinder verstorbener Kinder im Sinne der Steuerklasse 2
200.000 €
Kinder der Kinder im Sinne der Steuerklasse I, Nr. 2
100.000 €
alle übrigen Personen der Steuerklasse I
20.000 €
Personen der Steuerklasse II
20.000 €
übrige Personen der Steuerklasse III
Daneben sind noch eventuell Versorgungsfreibeträge gem. § 17 ErbStG zu berücksichtigen. Hierzu befragen Sie bitte Ihren steuerlichen Berater.
Hinweise zu diesem Artikel
- dieser Artikel gibt allgemein zugängliche Informationen zur steuerlichen Einschätzung wider und liefert grobe Hinweise zum Thema „Erbschafts- und Schenkungssteuer“
- er stellt keine Steuerberatung dar und ersetzt keine ausführliche Beratung durch einen Steuerberater
- es werden hier nur bewertungstechnische Sachverhalte dargestellt, verbunden mit einer
möglichen Einschätzung durch die Finanzbehörden. - Für die Richtigkeit und Aktualität der Inhalte kann keine Haftung übernommen werden.